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Im Gespräch mit İlker Çatak

Wo sind wir was? Perspektivwechsel auf Zugehörigkeit, Identität und Heimat – Videointerviews mit Alumni der Kulturakademie Tarabya
 
Interviews mit ausgewählten Alumni im Rahmen des Festivals Studio Bosporus – 10 Jahre Kulturakademie Tarabya
 

Ein Projekt von Gülriz Eğilmez und Alexandra Weltz-Rombach
 
„Die Vorstellung, Identität habe etwas mit Menschen zu tun, die alle gleich aussehen, auf dieselbe Weise fühlen und sich selbst als Gleiche wahrnehmen, ist Unsinn. Identität als Prozess, als Erzählung, als Diskurs wird immer von der Position des Anderen aus erzählt“ (Stuart Hall 1994).
 
Das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei jährt sich 2021 zum 60. Mal und die Künstler:innenresidenz Kulturakademie Tarabya feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Deutschland hat sich im Laufe der letzten 60 Jahre zum Einwanderungsland entwickelt, nicht zuletzt durch den dauerhaften Zuzug türkischer Arbeitsmigrant:innen und ihrer Familien, die bereits in der vierten Generation in Deutschland leben und die deutsche Gesellschaft prägen.
 
Seit Bestehen der Kulturakademie Tarabya wurde eine weitere Migrationswelle aus der Türkei nach Deutschland in Gang gesetzt. Waren es vormals Arbeitsmigrant:innen im Niedriglohngewerbe, sind es bei diesem Brain Drain mehrheitlich türkische Akademiker:innen, Künstler:innen, Journalist:innen, die sich in der Türkei seit den Gezi-Protesten und dem Putschversuch 2016 erhöhtem politischen Druck ausgesetzt sehen und ins Ausland abwandern. In diesem Spannungsfeld bietet die Künstlerresidenz am Bosporus internationalen Künstler:innen, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben, die einmalige Gelegenheit für einen Zeitraum von vier bis acht Monaten in Istanbul zu leben und die Perspektive auf die Türkei als Land, die türkische Gesellschaft sowie auf die gewachsenen deutsch-türkischen Beziehungen als Ausdruck der gesellschaftlichen Vielfalt zu wechseln.
 
Perspektivwechsel, Fremdzuschreibung und Selbstwahrnehmung
 
Aus Almanya nach Türkiye: Vielleicht zum ersten Mal in der Türkei zu leben, die eigenen Ressentiments, Identitätsfragen, Heimatverständnis, Selbstverortung und -wahrnehmung unter die Lupe zu nehmen. Welchen Fremdzuschreibungen sind die Kinder der Auswanderer:innen begegnet und wie damit umgegangen?
 
Die Videointerviews richten den Fokus auf die persönliche Perspektive der ehemaligen Stipendiat:innen der Kulturakademie Tarabya. Wie haben sie die Türkei gesellschaftlich, politisch und kulturell wahrgenommen? Wie hat der Aufenthalt sie beeinflusst, persönlich wie auch künstlerisch? Welche nachhaltigen Eindrücke und Verbindungen wurden durch die Residenz mitgenommen und wie unterscheidet sich der Tarabya-Aufenthalt von anderen Residenzprogrammen?
 
In den Videointerviews geben die Alumni einen sehr persönlichen Einblick in ihre Zeit in Istanbul. Sie erzählen von ihren Erfahrungen vom Leben in der Türkei, ihren Eindrücken von Gesellschaft, Kultur und Politik, wie viele Heimaten sie haben und wie mediale Repräsentation von BPOC in Deutschland, das sich nunmehr als Einwanderungsland begreift, inklusiver gestaltet werden kann.