1. Kunst- und Kulturfestival Tarabya, 30.06.2018
Eine milde Brise weht über den Bosporus. Die eisernen Tore des 16 Hektar großen Geländes der Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Tarabya, Istanbul sind noch geschlossen. Auf dem Gelände, neben der Sommerresidenz steht die Kulturakademie Tarabya. In der weißen Holzvilla leben und arbeiten die sieben Stipendiatinnen und Stipendiaten der Kulturakademie.
Schon seit Wochen wird auf dem Gelände geplant, aufgebaut, geordert, organisiert: Das 1. Kunst- und Kulturfestival der Kulturakademie Tarabya kündigt sich an. Erstmals können die Stipendiat/-innen und ausgewählte Alumni des Residenzprogramms in Kooperation mit türkischen Künstler/-innen ihre Arbeiten der Istanbuler Kunst- und Kulturszene präsentieren, und zwar auf einem eigenen Festival.
Die Eisentore öffnen sich, dahinter blühen Rosen, Palmen und riesige Platanen spenden Schatten unter der prallen Sonne auf den Kieswegen. Unter den Bäumen ist eine Bühne aufgebaut, die blautürkisen Banner der Kulturakademie flattern im Wind. Philipp Lachenmanns Installation „SHU (Blue Hour Lullaby)“ wartet im alten Matrosenhaus, in einem kellerartigen Gewölbe, auf die ersten Besucher. Der Bildende Künstler selbst öffnet sein Apartment für eine Studio Visit. So auch die Malerin Funda Özgünaydin, die im Wintergarten der Kulturakademie ihre Arbeiten „Human Animals“ zeigen wird.
Die ersten Gäste treffen ein, um 16:00 Uhr begrüßen Generalkonsul Dr. Georg Birgelen und der Leiter des Goethe-Institut Istanbul Dr. Reimar Volker die Gäste. Die Leiter der Kulturakademie, Pia Entenmann und Meik Laufer, sprechen über die Wichtigkeit des kulturellen Austauschs, die Kulturakademie soll nicht nur ein Rückzugsort für deutsche Künstler/-innen sein, sondern den Austausch mit der lokalen Szene fördern.
Über 300 Gäste, u.a. Filmemacher, Kuratoren, Journalisten, Musiker und Bildende Künstler sind der Einladung zum Festival gefolgt und haben auf dem Gelände der Sommerresidenz des deutschen Botschafters Performances, Installationen, Lesungen, Studio Visits und Sommerkino erlebt.
Defne Sahins Jazzquartett leitet das Festival ein, mit türkischen Jazzgrössen wie Ediz Hafizoglu und Volkan Hürsever. Olga Grjasnowa, Judith Rosmair, Katerina Poladjan und Özgür Aydin folgen mit einer Lesung und Diskussion über die Schnittstelle vom Buch zur Theaterbühne. Im ehemaligen Teehaus neben dem hauseigenen Wald können die Gäste mit der Bildenden Künstlerin Isabella Gerstner diskutieren über ihre multimediale Installation „Der Ort. Das Material. Die nicht integrierbaren Reste“ (2017). In der früheren Küche Sultan Abdulhamids II, einem Kuppelgewölbe, präsentiert Jasmin Ihrac ihre Tanzperformance „Sahman- Grenze-Kus“, in der sie ihre Erfahrungen in der türkisch-armenischen Grenzstadt Ani thematisiert.
Zurück zum Teehaus: Auf der großen Wiese vor dem Wald, der sich den Hang hinauf streckt, wird bereits seit einigen Stunden eine Performance vorbereitet: Die Künstlerin Nezaket Ekici wird hinter einem Paravent mit 200 Kilo Ton-Erde aus Kappadokien überbedeckt. Punkt 18:00 Uhr lüftet sich der Paravent; für die Gäste ist nur eine Skulptur aus Ton zu sehen. Es ist die Premiere von Ekicis Performance-Installation „Dal non-finito al finito“. Langsam durchsticht eine Hand zaghaft die schwere Tonmasse, unter großen Anstrengungen schält und befreit sich die Künstlerin aus dem schweren Ton, modelliert ihn, schafft Fragmente, lässt eine neue, unfertige Skulptur enstehen. Später folgt an gleicher Stelle eine musikalische Lyrikperformance der Dichter Matthias Göritz, Efe Duyan und Gonca Özmen über das Reisen in der Sprache.
Nach einem DJ-Set mit Harun Tekin findet das 1. Tarabya Kunst- und Kulturfestival seinen Abschluss mit dem preisgekrönten Dokumentarfilm „No Lands Song“ von Stipendiat Ajat Najafi – Sommernachtskino unter Palmen mit einem Film, der kämpferische Sängerinnen im Iran porträtiert.