Filmvorführung | Angela Melitopoulos | Passing Drama (1999)
Der Videoessay Passing Drama lässt Melitopoulos‘ Migrationsgeschichte, die über drei Generationen weitergegeben wurde, hautnah miterleben. „Drama“ ist der Name einer kleinen Stadt in Nordgriechenland, in der sich nach 1923 Geflüchtete niederließen, die die kleinasiatische Katastrophe überlebt hatten. Viele ihrer Kinder wurden während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter in Nazi-Deutschland und später sogar Gastarbeitende in Deutschland. Das Verschweigen historischer Tatsachen durch die Türkei, Griechenland und Deutschland und die Notwendigkeit, die traumatischen Erfahrungen des Exodus dieser ersten und zweiten Geflüchtetengeneration zu vergessen, prägten ihre Geschichte: Risse und Brüche klafften in der Weitergabe von Erinnerung, von Wissen, von Denk- und Lebensgewohnheiten. Das Vergessen von gestern war verwoben mit dem Vergessen von vorgestern und vermischte sich mit dem Vergessen von heute. Aber in ihren Reden und Geschichten sind Spuren eines kollektiven Gedächtnisses in ihren Stimmen verkörpert: Weil unauslöschliche Sätze – „Sätze wie Steine“ – unter verschiedenen Umständen ausgesprochen und wiederholt wurden, kristallisierten sie sich zu Liedzeilen über Deportation, Vertreibung und Flucht. Die Erinnerungen dieser Migrant:innen enthalten eine Wahrheit, die nicht nur für sie gilt. Denn was ihnen widerfahren ist, ist auch uns widerfahren: eine radikale Veränderung im Leben der Erinnerung und der Zeit. Die Notation des Vergessens wird in Passing Drama durch eine verwobene Montage von Bildern ausgedrückt, die auf unterschiedliche Weise verarbeitet werden. Je weiter die Ereignisse in der Vergangenheit liegen, desto stärker wurden die Bildmanipulationen und Montagen für die Erzählung materiell verarbeitet. Jeder Ort steht für eine andere zeitliche Modalität in der Erzählung. Von einer einfachen Zeitlupe der Bilderzeugung bis hin zu mehrfachen Manipulationen der Bildgeschwindigkeit werden der „Erzeugung“ der Geschichte entsprechend unterschiedliche Grade der „Zeitabstraktion“ zugeschrieben.
Angela Melitopoulos‘ Passing Drama (1999) wird am 14. Dezember 2024 um 17 Uhr im Rahmen des Hangi İnsan Hakları Film Festivali (Which Human Rights? Film Festival) im Pera Museum gezeigt. Im Anschluss an die Filmvorführung gibt es ein Gespräch mit Angela Melitopoulos.
Der Eintritt ist kostenlos.
Angela Melitopoulos war von März 2022 bis September 2022 Stipendiat:in an der Kulturakademie Tarabya und ist nun im Rahmen einer Verlängerung erneut vor Ort.