© Sara Förster/ © Selim Süme

Larissa Araz & Aria Farajnezhad

Larissa Araz (Istanbul, 1990) ist Künstlerin und Gründerin des Poşe artist-run space in Istanbul, Türkei. Sie studierte Medien, Kultur und Kommunikation an der New York University in New York und Bildende Kunst an der Koç University in Istanbul. 2019-2020 nahm sie an der Saha Studio Residency und 2020-2021 am Arter Research Program teil. 2021 erhielt sie den Prince Claus Seed Award und im Jahr 2023 war sie Stipendiatin der WHW Akademija. Im Rahmen des Programms zur Förderung von Kunstschaffenden (Artist Development Program) der Europäischen Investitionsbank wurde sie zu einem Aufenthalt an der Cité internationale des arts in Paris eingeladen. 2024 war sie Stipendiat:in der Onassis Artist Residency in Griechenland.

Araz konzentriert sich auf alternative Geschichten, nicht-menschliche Zeugen und die Konstruktion dominanter Ideologien durch institutionelle Wissensproduktion. Anhand persönlicher Erzählungen recherchiert sie Dokumente, Archive, Ruinen, Schweigen, Namen, Spuren und Erinnerungen, die nicht in das gesellschaftliche Gedächtnis aufgenommen oder dort verborgen gehalten werden. Zwischen Realität und Fiktion versucht sie, mögliche Zukünfte und unverhüllte Vergangenheiten zu diskutieren. In ihrer Praxis verwendet sie verschiedene Medien, konzentriert sich aber hauptsächlich auf Text und Bild.

Sie ist auch die andere Hälfte von palimpsest (zusammen mit dem Autor Ekin Can Göksoy), das von dem alten Glauben ausgeht, dass nichts so ist, wie es scheint. Mit einem Ansatz, der weit über das moderne Konzept des Archivs hinausgeht, in dem historische Aufzeichnungen zusammengeführt und klassifiziert werden, versucht palimpsest, ein Archiv der Anmerkungen an den Rändern von Manuskripten, der von den Wänden bröckelnden Verzierungen von Gebäuden, der schriftlichen Botschaften hinter gefundenen Fotos und der Zeugnisse dessen, was nicht mehr da ist, zu schaffen.

Im April 2018 gründete Araz den künstlerischen Workshop und Ausstellungsraum Poşe. Poşe wurde aus dem Drang heraus konzipiert, eine Gemeinschaft zu gründen. Es ist ein physischer und mentaler Freiraum für diejenigen, die das Bedürfnis nach Dialog und Kritik verspüren. Poşe hat viele Ausstellungen gezeigt, darunter Einzel- und Gruppenproduktionen, sowie öffentliche Programme und andere Inhalte.

 

Aria Farajnezhad (1989, Ahvaz) ist ein interdisziplinärer Künstler und Organisator mit einem Hintergrund in Ingenieurwesen und einer langjährigen Auseinandersetzung mit Rhythmus und dem Spiel von Perkussionsinstrumenten. Er ist ein Forscher von Klang und Bild, dessen Arbeit verschiedene Medien umfasst und sich in Richtung spekulativer Forensik bewegt. Farajnezhad ist Träger des Kunstvereins Hannover Preises (2025/2026), war 2024 Stipendiat des HIAP (Helsinki International Artist Program), 2023 Stipendiat der WHW Akademija (Zagreb, Kroatien) und 2018/2019 Stipendiat des Home Workspace Program von Ashkal Alwan (Beirut, Libanon). Von 2020 bis 2022 war er Co-Leiter des Projektraums Circa 106 (Bremen, Deutschland) und kreierte die Projektserie Future Archives (Worpswede/ Saarbrücken/Bitterfeld/Bremen, Deutschland). Aria hat ein Diplom von der Fakultät für Bildende Künste an der Universität der Künste Bremen, wo er das Meisterschüler:innen-Programm im Juli 2022 unter Natascha Sadr Haghighian abschloss. Seit Januar 2023 widmet sich Farajnezhad der Untersuchung der destabilisierten Dichotomie von Erhaltung/Zerstörung im Zusammenhang mit dem ehemaligen Gebäude der staatlichen Zentralbank in Bremen und untersucht dabei weiter die Politik der Über-/Nicht-/Unterrepräsentation, die in der Konstruktion öffentlicher Räume verankert ist. Er hat kollektive Settings organisiert, in denen das rassistische Mosaikgemälde im Bremer Hauptbahnhof kritisch hinterfragt und kollektiv überschrieben werden konnte, um alternative Perspektiven zu entwickeln, die ökumenische, hybride und nicht-hierarchische Ansichten des Menschseins teilen. Seit 2023 hat er eine Gesprächsreihe namens Mosaic Speaking ins Leben gerufen, um einen interlokalen, transregionalen Dialog zu schaffen, indem er überschriebenen Mosaiken mit verschiedenen Gesprächspartner:innen trägt und mit dem diasporischen Bruch als schöpferischer Kraft verweilt. Die Gesprächsreihe fand an verschiedenen Orten statt, unter anderem im AIR InSILo (Hollabrunn/Wien, Österreich) und im HIAP (Helsinki/Turku, Finnland), um diese mit der besonderen Rolle Bremens im Kolonialismus und der Sklaverei zu verweben. Im Mai 2024 veröffentlichte Farajnezhad gemeinsam mit GAK Bremen die Zeitung Probe-1 und gab eine Lecture-Performance heraus, die als dialogische Sitzung an der Universität Liverpool zusammen mit Azadeh Sarjoughian rund um künstlerische Methodologie und das Konzept des lebenden Archivs konzipiert wurde.

Larissa Araz und Aria Farajnezhad sind von Februar bis Mai 2025 als Tandem im Rahmen der deutsch-türkischen Koproduktionsstipendien, unterstützt von der Allianz Foundation, Stipendiat:innen der Kulturakademie Tarabya.