Die neuen Stipendiat:innen für den Jahrgang 2024/25 stehen fest!

Aus rund 230 Bewerbungen hat eine unabhängige Jury 21 Künstler:innen unterschiedlicher Disziplinen für den Jahrgang 2024/25 ausgewählt. Darunter sind auch wieder drei Künstler:innen-Tandems, die im Rahmen der türkisch-deutschen Koproduktionsstipendien, einem Kooperationsprojekt mit der Allianz Foundation, an die Kulturakademie Tarabya kommen. Die neuen Stipendiat:innen ziehen ab dem 1. Oktober 2024 für viermonatige Aufenthalte in die Künstler:innen-Residenz am Bosporus. Zu den ausgewählten Künstler:innen gehören unter anderem Erol Afşin, Newroz Duman, Martin Grütter, Olga Martynova, Ülkü Süngün, caner teker sowie das Künstler:innen-Tandem Larissa Araz & Aria Farajnezhad.

Die Kulturakademie Tarabya in Istanbul eröffnet neue Perspektiven, schafft grenzüberschreitende Begegnungen und nachhaltige Erfahrungen des kulturellen Austauschs zwischen der Türkei und Deutschland. Über 180 Künstler:innen haben bislang in der Residenz gearbeitet. Bewerben können sich Kulturschaffende mit Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in Deutschland aus den Sparten Architektur, Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Design, Literatur, Musik, Film, Publizistik und Kulturtheorie sowie deutsch-türkische Künstler:innen-Tandems (in Kooperation mit der Allianz Foundation). Neben den neu ausgewählten Künstler:innen wurden auch Verlängerungsstipendien an Alumni der Kulturakademie Tarabya vergeben, darunter die Filmemacherin Steffi Niederzoll, der Autor Deniz Utlu und die bildenden Künstler:innen Angela Melitopolous und Kerstin Schroedinger. Finanziert werden die Stipendien vom Auswärtigen Amt. Das Goethe-Institut trägt die kuratorische Verantwortung für das Residenzprogramm.

Jury und Beirat
Für den Aufenthalt 2024/2025 wurden die neuen Stipendiat:innen von einer unabhängigen fünfköpfigen Jury ausgewählt. Zu den Mitgliedern der aktuellen Jury zählen der Islamwissenschaftler und Journalist Rainer Hermann (Vorsitz), der Vorstand der Allianz Foundation Esra Küçük (stellvertretende Vorsitzende), der Direktor des Museum Ludwig in Köln Yilmaz Dziewior, die Filmemacherin und Tarabya-Alumna Ayşe Polat sowie die Komponistin, Musikerin und Tarabya-Alumna Cymin Samawatie.

Die Jury wurde vom Beirat der Kulturakademie berufen. Dem Beirat gehören Vertreter:innen des Bundestags, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Auswärtigen Amts und des Goethe-Instituts an. Der Akademiebeirat berät auch über die konzeptionellen Leitlinien für die Kulturakademie.

Zuvor haben 21 unabhängige Fachberater:innen aus Deutschland und der Türkei nach einem Punkteverfahren ihre Bewertungen abgegeben. Ihre nicht bindenden Rankings lagen der Jury bei der Auswahlsitzung zu Grunde. Die Fachberater:innen für 2024/25 waren: Ipek Atcan (Dergy), Kerem Ayan (IKSV Filmfestival), Stéphane Bauer (Kunstraum Kreuzberg), Tanıl Bora (Autor, Journalist), Bettina Fischer (Literaturhaus Köln), Melih Görgün (Sinopale), Maike Mia Höhne (Kurzfilm Festival Hamburg), Eva Huttenlauch (Lenbachhaus), Harun Izer (IKSV Jazz-Festival), Gülhan Kadim (Kumbaraci50), Banu Karaca (Kulturwissenschaftlerin), Malve Lippmann (bi’bak, Sinema Transtopia), Beral Madra (Kuratorin), Matthias Mohr (Radialsystem), Deniz Ova (Salt), Stawrula Panagiotaki (Studiobühne Köln), Jan Rohlf (CTM Festival), Katharina Schultens (Haus für Poesie), Franziska Werner (Dramaturgin), Misal Adnan Yıldız (Kunsthalle Baden-Baden), Leman Yılmaz (DasDas Theater).

Zu den in diesem Jahr ausgewählten Stipendiat:innen gehören:

1. Oktober 2024 bis 31. Januar 2025
Erol Afşin, Newroz Duman, Natalie Greffel, Zeynep Özden & Elif Sözer, Ülkü Süngün, Gün Tank

1. Februar 2025 bis 31. Mai 2025
Larissa Araz & Aria Farajnezhad, Corç George Demir, Gerrit Frohne-Brinkmann, Nalan Karacagil, Olga Martynova, caner teker

1. Juni 2025 bis 30. September 2025
Esra Akkaya, Onur Gökmen, Martin Grütter, Atefeh Kheirabadi, Pascal Klewer & Nadir Sönmez, Mati Shemoelof

Zu den diesjährigen ausgewählten Stipendiat:innen mit Verlängerung gehören:

Necati Öziri (September–Oktober 2024)
Angela Melitopoulos & Kerstin Schroedinger (November–Dezember 2024)
Manaf Halbouni (Januar 2025)
Katerina Poladjan (Februar 2025)
David Ranan (März–April 2025)
Cansu Tanrıkulu & Kaan Bıyıkoğlu (Mai 2025)
Deniz Utlu (Juni 2025)
Steffi Niederzoll (Juli–August 2025)
Dirk Stewen (September 2025)

Kurzbiografien der Stipendiat:innen 2024/2025

Erol Afşin (geb. in Adana, Türkei) zog im Alter von 19 Jahren nach Deutschland, um Schauspiel zu studieren. Nach seinem Abschluss an der Folkwang Universität der Künste etablierte er sich in Theaterproduktionen und Filmen, darunter der Oscar-nominierte „Mustang“ und der Cannes-Wettbewerbsfilm „Girls of The Sun“. In der US-Serie „Homeland“ hatte er eine wiederkehrende Rolle und spielte von 2021 bis 2023 in der ZDF-Neo Serie „Wir“ eine der Hauptrollen. Parallel zu seiner Schauspielkarriere führte Afşin Regie und drehte Kurzfilme wie „The Path“ und einen Kurzdokumentarfilm über die Reise zweier Männer nach Palästina. Sein Langfilmregiedebüt „Es brennt“ feierte 2023 Premiere beim Filmfest München und erhielt Nominierungen in den Kategorien „Beste Regie, Bestes Drehbuch, Beste Produktion“. Afşin ist nun deutscher Staatsbürger und lebt in Berlin.

Esra Akkaya ist Literaturwissenschaftlerin – sie lebt und arbeitet derzeit zwischen Berlin und Jerusalem. Zuvor studierte sie Philosophie und Literatur in Deutschland, Großbritannien, Portugal und Frankreich und wurde an der Freien Universität Berlin in Romanischer Philologie promoviert. Ihr Buch „Frankreichs verdrängte Gedächtnisse: Sarah Kofmans literarisches Werk“ (De Gruyter, 2024) ist die erste umfassende Monografie über das literarische Werk Sarah Kofmans, in der die literarischen Praktiken der Philosophin als Widerstand gegen den Geschichtsrevisionismus in Frankreich interpretiert werden. Akkayas Forschungsinteressen umfassen women’s writing, jüdische Literaturen, Kultur- und Literaturgeschichte. Ihre jüngsten Veröffentlichungen betreffen Schriften des Widerstands und des Anti-Essentialismus und befassen sich mit Werken von Sarah Kofman, Gloria Anzaldúa, Hélène Cixous und Beki L. Bahar. Während ihres Aufenthalts an der Kulturakademie Tarabya wird sie vergessene Erinnerungsorte der jüdischen Geschichte in der Türkei aufspüren.

Corç George Demir (geb. 1991 in Köln, Deutschland) ist ein recherchebasiert-interdisziplinärer Künstler und lebt und arbeitet in Köln und Wien. Er wurde für seine Arbeiten mit renommierten Preisen ausgezeichnet und seine Beiträge umfassen internationale Ausstellungen, Publikationen in den Künsten und Wissenschaften. Derzeit ist er Promovend der künstlerischen Forschung an der Universität für angewandte Kunst in Wien. In seinem PhD-Projekt „Ancestral Junctures: on the expansion of ancestral mythologies“ erforscht er das transformatorische Potential, Nationalstaaten und biologische Familienlinien zu dezentralisieren und stattdessen Arbeits- und Queere Ahn.innenlinien in den Fokus zu rücken, um den mythologischen Herkunftsbegriff zu expandieren.

Newroz Duman ist eine deutsch-kurdische Aktivistin. Sie ist seit 2006 in den Themenfeldern Flucht, Migration und antirassistischen Selbstorganisierung politisch aktiv. Sie ist Sprecherin der „Initiative 19. Februar Hanau“, die nach dem rassistischen Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020 gegründet wurde. Die Initiative setzt sich für die Erinnerung an die Opfer, die Aufklärung der Tat und Gerechtigkeit ein. Newroz studiert Soziale Arbeit und ist ausgebildete Traumapädagogin. Sie engagierte sich zudem im Vorstand von Pro Asyl sowie in anderen sozialen und politischen Projekten wie dem Netzwerk „We’ll Come United“ und der Initiative „Jugendliche ohne Grenzen“. Ein zentraler Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Weiterentwicklung der Erinnerungspolitik im öffentlichen Raum und in der umfassenden gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und institutionellem Rassismus. Außerdem arbeitet Newroz als Projektmitarbeiterin im Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit beim Verband binationaler Familien und Partnerschaften in Leipzig.

Gerrit Frohne-Brinkmann (geb. 1990 in Friesoythe, Deutschland) studierte an der Hochschule für bildende Künste, Hamburg. Die Bezugspunkte seiner Skulpturen und Installationen schöpft er aus so unterschiedlichen Bereichen wie Technologiegeschichte und Naturwissenschaft, aber auch Entertainment und Konsumgesellschaft – und weiß diese miteinander in immer neue Verbindung zu setzen. Dabei entziehen sich seine Übersetzungen einer klaren gattungsspezifischen Zuteilung. Er entwickelt kulissenartige Settings und Arrangements voller nostalgischer Notate und Anleihen, die im Einklang mit den Objekten Verdrängtes, Verworfenes und Unliebsames vergegenwärtigen. Seine Werke richten den Blick auf die Randerscheinungen aus dem Gewirr einer vernetzen Welt, immer interessiert an den (historischen) Spuren menschlichen Seins und Scheiterns. Zuletzt waren seine Werke in der Galerie Noah Klink, Berlin (2024), im Hangar Y, Meudon (2024), in der Fundación Marso, Mexico City (2023), bei LambdaLambdaLambda, Prishtina (2022) sowie im Oldenburger Kunstverein (2022) zu sehen. Er lebt und arbeitet in Hamburg.

Onur Gökmen (geb. 1985 in Ankara, Türkei) lebt derzeit in Berlin. Seine Arbeiten in den Bereichen Skulptur, Fotografie, Video, Installation und Performance setzen sich mit der Realität als Ausdruck ständiger Verwobenheit von Vergangenheit und Zukunft auseinander. Mit ihren reduzierten Formen verweisen seine Werke etwa auf Architektur-Elemente, die bei archäologischen Ausgrabungen freigelegt wurden, oder auf die Skelettstrukturen lebendiger Körper – sie hinterfragen die Grundlagen unserer Vorstellung von traditionellen Hierarchien. Gökmen präsentierte seine Werke und Performances unter anderem im MMK in Frankfurt am Main, im Asia Culture Center in Gwangju, auf der Sharjah Biennale 13 und in der Londoner Delfina Foundation, die ihn 2015 auch zu einer Künstlerresidenz einlud. 2011 wurde er in Istanbul mit dem Akbank/RHMD-Preis für zeitgenössische Kunst ausgezeichnet.

Natalie Greffel ist Künstlerin und Wissenschaftlerin, die mit geschickten Händen und einer wohlklingenden Stimme ihre eigene Herkunft hinterfragt, mit ihren Kompositionen, ihrem Zuhören, ihren Performances und ihrem Wesen an sich.

Martin Grütter (geb. 1983 in Trostberg, Deutschland) studierte Komposition und elektronische Musik in Berlin und Frankfurt. Seine Werke werden weltweit von führenden Interpreten wie dem Ensemble Modern, den Berliner Philharmonikern und dem Ensemble Intercontemporain bei Festivals wie den Wittener Tagen für neue Kammermusik, den Klangspuren Schwaz, der cresc.-Biennale Frankfurt, der Berlinale, dem MATA-Festival New York oder den Bregenzer Festspielen aufgeführt. Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, so etwa beim Kompositionswettbewerb „In memoriam György Ligeti“ 2007, beim Mahler-Kompositionswettbewerb Wien 2010, beim Kompositionswettbewerb „Vorhof der Völker“ 2013, beim Animator-Festival in Posen 2019 und beim Retro Avant Garde Film Festival in Kairo 2020. Er war Stipendiat der Akademie „Musiktheater heute“ der Deutsche-Bank-Stiftung (2010–12) und der Internationalen Ensemble Modern Akademie (2011/12), außerdem erhielt er Stipendien vom Freistaat Bayern, dem Berliner Senat, dem DAAD, dem Musikfonds, der GEMA und dem deutschen Musikrat. 2011 gründete Martin Grütter das 25köpfige Schwelbrandorchester sowie die Festivalreihe „Schwelbrand“, als deren künstlerischer Leiter er seither regelmäßig großangelegte crossmediale Konzerte in Berliner Clubs produziert. Martin Grütters Musik beschäftigt sich mit Virtuosität, Übermenschlichkeit, Ironie, Irrsinn, Performanz, Rhythmus und Sprache. Seine Kompositionen umfassen Solo-, Ensemble-, Orchester- und Vokalmusik, Musiktheater sowie elektronische Musik. Er lebt und arbeitet in Berlin.

Nalan Karacagil, Sängerin, DJ und Produzentin, gehört zu den spannendsten Newcomerinnen der deutschen Musikszene. 2021 erschien ihr critically acclaimed Debütalbum „I’m Good. The Crying Tape“. Mit dem gleichnamigen Titel ging sie im April ’23 auf Solotour in Deutschland. Die gebürtige Münchnerin, die seit 2016 in Berlin lebt, ist neben ihren Soloaktivitäten auch Teil des Musiktrios Gaddafi Gals. Sie veröffentlichten 2017 die EP „the death of papi“, eine klare Ansage an das Patriarchat; 2019 folgt das Debütalbum „TEMPLE“ und die Teilnahme am SXSW in Austin, Texas; 2022 das zweite Album „Romeo Must Die“. Außerdem ist Nalan Mitbegründerin des DJ-Kollektivs Slic Unit und arbeitet unter ihrem Alias slimgirl fat als DJ. Gemeinsam mit SLIC Unit ist sie Resident bei FoundationFM (London). Seit 2020 ist sie als Writerin und Produzentin bei Sony ATV unter Vertrag. Seit 2021 veröffentlicht sie bei dem Berliner Label Mansions & Millions und arbeitet mit der Booking Agency Powerline.

Atefeh Kheirabadi ist experimentelle Filmemacherin und Medienkünstlerin. Sie erforscht an der Schnittstelle zwischen Praxis der Experimentalfilme und partizipativen Filmformaten, die zwischen Realität und Illusion, Ästhetik und Politik schwanken. Sie wirft einen scharfen Blick auf gegenwärtige Fragen des Frauen-zu-sein und des Widerstands in ihrem politischen Kontext und verbindet damit Bild- und Medienpolitik miteinander. Geboren 1990 in Teheran, lebt und arbeitet er derzeit in Berlin. Sie studierte Soziale Kommunikationswissenschaften an der Teheran Universität (Bachelor of Arts) und Medienwissenschaft an der Humboldt Universität zu Berlin (Master of Arts). In den letzten Jahren erhielt sie mehrere Preise, Stipendien und Auszeichnungen, darunter die Auszeichnung für den 1. Platz mit dem Projekt „Blind ins Auge“ im Hessen LAB, die B3 Biennale des bewegten Bildes, das Recherchestipendium für Bildende Kunst von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa sowie das Stipendium VG Bild-KUNST. Zu ihren Kurzfilmen und Videoinstallationen gehören Blick (2023),7+1 Fragments (2022) und Kommen und Gehen (2020). Derzeit arbeitet sie an dem experimentellen Essayfilm „Blind, ins Auge“, der sich mit den visuellen Narrativen der Jina-Revolution im Iran befasst, insbesondere mit der methodischen Blendung der Protestierenden. Der Film untersucht die Schnittstelle zwischen politischem Handeln, Sehen und der Widerstandskraft der Bilder.

Olga Martynova (geb. 1962 in Sibirien, Russland) wuchs in Leningrad auf, wo sie in den 1980er-Jahren die Dichtergruppe „Kamera Chranenia“ mitbegründete. 1991 zog sie zusammen mit Oleg Jurjew (1959–2018) nach Deutschland. Seit 1999 schreibt sie literarische Texte nicht nur auf Russisch, sondern auch in deutscher Sprache. Seit 2018 schreibt sie nur noch auf Deutsch. Olga Martynova ist Mitglied des PEN und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Mainz). Sie erhielt u. a. den Ingeborg-Bachmann-Preis (2012) und den Berliner Literaturpreis (2015). Zuletzt erschienen bei S. Fischer: „Der Engelherd“, Roman (2016), „Über die Dummheit der Stunde“, Essays (2018), sowie „Gespräch über die Trauer“ (2023).

Mati Shemoelof (geb.1972) ist ein preisgekrönter Schriftsteller, Dichter, Aktivist, Autor und Kurator. Geboren und aufgewachsen in Haifa/Israel lebt und arbeitet er inzwischen mit Lebensmittelpunkt in Deutschland. Er hat sowohl in Israel als auch in Deutschland insgesamt elf Bücher veröffentlicht, darunter sieben Gedichtbände.

Ülkü Süngün (geb. 1970 in Istanbul, Türkei) ist Bildhauerin, Kuratorin und forschende Aktivistin und lebt und arbeitet in Stuttgart, wo sie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Bildhauerei studierte. In ihrer künstlerischen Praxis arbeitet sie mittels prozessorientierter wie kollaborativer Ansätze zu Migrations- und Identitätspolitiken ebenso wie Erinnerung. Hierfür nutzt sie Medien wie Bildhauerei, Installation, Fotografie, Video und Performance Art. Mit dem 2017 gegründeten „Institut für Künstlerische Post-Migrationsforschung“ macht sie ihre künstlerische Forschung sowie sozial- und gesellschaftskritische Praxis strukturell sichtbar und nutzt Räume nomadisch. Das von ihr entworfene Denkmal für deportierte Jüd:innen am Killesbergpark in Stuttgart wurde 2013 realisiert. Zuletzt stellte sie im Kunstmuseum Stuttgart im Rahmen des Kubus Sparda Kunstpreises Bildhauerei aus und gewann den Publikumspreis. Ihre Arbeiten sind Teil der europaweit tourenden Ausstellung „Offener Prozess“ zum NSU Komplex und rassistischen Kontinuitäten in Deutschland. 2022-2023 lehrte sie Bildhauerei und Digitale Medien als Vertretungsprofessorin an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. 2024 war sie Stipendiatin des Landes BW am Cité internationale des arts in Paris.

Gün Tank ist Autorin und Moderatorin. Sie war Co-Kuratorin der Ausstellung „22:14 …und es kamen Frauen“ (2011), über die ersten Arbeitsmigrantinnen der Bundesrepublik sowie der Veranstaltungsreihe CrossKultur, eine jährliche Kulturreihe mit Lesungen, Ausstellungen, Konzerten, Theater, Film und Konferenzen. Heute ist sie im Bezirk Tempelhof-Schöneberg Beauftragte für Menschen mit Behinderung. 2015 und 2021 erhielt sie vom Land Berlin das Arbeits- und Recherchestipendium Literatur. „Die Optimistinnen. Roman unserer Mütter“ ist ihr Debütroman.

caner teker ist ein überlebende:r, choreograf:in und künstler:in. caners performances umfassen das parasitäre, transformative und autobiografische erschaffen von welten. durch die manipulation von raum, zeit und körper werden bilder geschaffen, die persönliche erfahrungen jenseits von queerness und postmigrantischer identität umfassen. caner absolvierte die Kunstakademie Düsseldorf und anschließend die SNDO – School for New Dance Development, Amsterdam. tekers performances wurden bisher im in der Gessnerallee Zürich, der Julia Stoschek Collection, Berlin, im tanzhaus nrw, Düsseldorf und HAU – Hebbel am Ufer, Berlin gezeigt. Im Jahr 2022 war teker stipendiat:in von danceWEB und trat in der Neuen Nationalgalerie Berlin, im Maxim Gorki Theater, im Tanzquartier Wien und bei Radikal Jung im Münchner Volkstheater auf. Die Arbeit „KIRKPINAR“ wurde für die Sammlung des Museums Ostwall, Dortmund, Deutschland, erworben und mit dem ars viva Preis 2024 ausgezeichnet.

Koproduktionsstipendien 2024/2025

Larissa Araz & Aria Farajnezhad

Larissa Araz (geb. 1990 in Istanbul, Türkei) ist Künstlerin und Gründerin des Künstlerhauses Poşe in Istanbul, Türkei. Sie studierte Medien, Kultur und Kommunikation an der New York University, NY, USA, sowie Bildende Kunst an der Koç-Universität in Istanbul. 2021 wurde sie mit dem Prince Claus Seed Award ausgezeichnet. Sie war Teilnehmerin der Saha Studio Residency 2019-2020, des Arter Research Program 2020-2021 und der WHW Akademija 2023. Araz befasst sich mit alternativen Geschichten, nicht-menschlichen Zeugen, vorenthaltenen Beweisen und der Konstruktion dominanter Ideologien durch institutionelle Wissensproduktion. Ausgehend von persönlichen Schilderungen recherchiert sie nach Dokumenten, Archivmaterial, Habseligkeiten, Ruinen, verborgenen und sichtbaren Spuren sowie Erinnerungen, die nicht ins gesellschaftliche Gedächtnis eingegangen sind oder davor versteckt wurden. Zwischen Realität und Fiktion versucht sie, mit Hilfe von Mythologie und Ritualen über mögliche Zukünfte und verborgene Vergangenheiten zu diskutieren. In ihrer künstlerischen Praxis verwendet sie verschiedene Medien, konzentriert sich aber hauptsächlich auf Text und Bild. Sie ist auch eine Hälfte des Duos „palimpsest“ (zusammen mit dem Autor Ekin Can Göksoy), das von dem alten Glauben ausgeht, dass nichts so ist, wie es scheint. Mit einem Konzept, das weit über die moderne Auffassung vom Archiv hinausgeht, in dem historische Aufzeichnungen zusammengeführt und eingeordnet werden, versucht „palimpsest“ ein Archiv aus Randnotizen in Manuskripten, von Wänden bröckelnden Ornamenten, schriftlichen Informationen hinter aufgefundenen Fotos und Zeugnissen dessen, was nicht mehr da ist, zu schaffen. Im April 2018 gründete Araz das selbstverwaltete Künstlerhaus Poşe. Poşe wurde aus dem Bedürfnis heraus konzipiert, eine Gemeinschaft zu schaffen. Es ist ein materieller und geistiger Freiraum für alle, die den Wunsch nach Dialog und Kritik verspüren. Poşe hat zahlreiche Ausstellungen gezeigt, darunter Einzel- und Gruppenprojekte, und organisiert zudem öffentliche Veranstaltungen und andere Angebote.

Aria Farajnezhad (geb. 1989 in Ahwaz, Iran) ist ein vielseitiger Künstler und Veranstalter, nach einer Ausbildung als Ingenieur befasst er sich seit langem mit dem Thema Rhythmus und spielt Schlagzeug. Er beschäftigt sich mit Klängen und Bildern, wobei seine Arbeit eine Vielzahl von Medien umfasst und in Richtung spekulativer Forensik tendiert. 2023 erhielt Farajnezhad ein Stipendium der WHW Akademija (Zagreb, Kroatien), zuvor war er von 2018 bis 2019 Stipendiat des Ashkal Alwan’s Home Workspace Program (Beirut, Libanon) sowie im Jahr 2022 Teilnehmer des Spring Curatorial Program: Art Geographies (Wien, Österreich). Von 2020 bis 2022 war er Mitbetreiber des Projektraums Circa 106 (Bremen, Deutschland). Aria Farajnezhad ist Absolvent des Fachbereichs Bildende Kunst an der Hochschule für Künste Bremen, wo er im Juli 2022 das Programm für Meisterschüler:innen abschloss. Seit Januar 2023 beschäftigt sich Farajnezhad am Beispiel des Gebäudes der ehemaligen Landeszentralbank in Bremen mit der destabilisierenden Dichotomie von Erhaltung und Zerstörung, indem er Fragen der Politik der Über-, Nicht- und Unterrepräsentation in öffentlichen Gebäuden unter die Lupe nimmt. So hat er beispielsweise gemeinschaftliche Szenarien mitgestaltet, anhand derer ein rassistisches Mosaik-Wandbild im Bremer Hauptbahnhof umgestaltet werden könnte, indem man es übermalt und neue Bilder vorschlägt, die ökumenische, hybride und nicht-hierarchische Vorstellungen vom Begriff der Menschlichkeit vermitteln. Als Teil des Zefak-Kollektivs hat er auch an einem Artist-in-Residence-Programm in den Künstlerhäusern (Worpswede, Deutschland) teilgenommen und Future Archives (2020) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine dauerhafte Initiative, die seit ihrer Gründung zu verschiedenen Veranstaltungen und Anlässen eingeladen wurde, unter anderem zur Association for Art History’s Annual Conference 2021 (London, UK), Stadtgalerie und MM, M (Saarbrücken, Deutschland), Fag tips for artists space book (New York, USA), Research and Waves (Berlin, Deutschland), Format: Walk and Talk (Bremen, Deutschland) sowie zum OSTEN Festival (Bitterfeld, Deutschland).

Pascal Klewer & Nadir Sönmez

Pascal Klewer (geb. 1997) ist seit einigen Jahren fest in der Kölner Szene verankert, sei es durch selbst-kuratierte Festivals (222 Festival), interaktive Kunstausstellungen, Konzertreihen (Pascal Klewer Bigband meets (u.a. mit Brötzmann, Parker, Dell, Lillinger), Monday Meetings (Co-Kurator)), seine eigenen Ensembles (Pascal Klewer Bigband, theconsistencyofdestruction) und seinem eigenen Label stsIsts records. Er ist Stipendiat der Stiftung Bartels (2022) und der Kunststiftung NRW (2023), arbeitete als Gastdirigent für die WDR Bigband, war Solist bei den Händel Festspielen, komponiert Filmmusiken für den ARD und ist Preisträger des Kompositionspreis des Bundesjazzorchesters, des Landes Hessen und dem Neuen Deutschen Jazzpreis für Komposition. Außerhalb seiner eigenen Projekte ist er als Sidemen in den Projekten „Aurora Oktett“ (Leipziger Jazzpreis), „Fallen Crooner“ (Kathrin-Preis) und „immerweiter“ tätig.

Nadir Sönmez hat am Galatasaray-Gymnasium in Istanbul das französische Abitur abgelegt. Er studierte Theaterwissenschaften an der Universität Paris III Sorbonne Nouvelle und verfügt über einen Abschluss in Theaterwissenschaften von der Kadir Has Universität. Er ist Schauspieler, Autor und Regisseur der Stücke „Peki“ (2017 – Pera Museum, 2021 – Sabancı Museum), „Ama“ (2019 – Istanbul Fringe Festival, 2021 – Europäisches Theaterfestival für junge Regie) und „Les Fils des Hétérosexuels“ (2021 – Paris Cité Internationale des Arts). Sein erster Spielfilm wurde 2022 auf Mubi Turkey veröffentlicht. Im selben Jahr arbeitete er für seine von CultureCIVIC unterstützte Performance-Lesung „Diyarbakır.Tourism.Romanticism.Activism“ mit LGBTIQ+-Aktivist:innen aus Diyarbakır zusammen. 2023 erhielt er diese Finanzierung erneut, diesmal für sein Vlog-Projekt „In the Pursuit of Theatre Makers“ bei Youtube. Er ist Gründer und künstlerischer Leiter von „Kulampara“, einer Veranstaltungsreihe, die Bühnenwerke zum Thema Sexualität zusammenbringt. 2023 wurde er zum Internationalen Forum beim Berliner Theatertreffen eingeladen.

Zeynep Özden & Elif Sözer

Zeynep Özden (geb. 1981 in Istanbul, Türkei) absolvierte ihr Bachelorstudium an der Galatasaray Universität im Fachbereich Radio-TV-Kino, studierte Schauspiel an der Pera School of Fine Arts und machte ihren Master in Regie an der Kadir Has Universität in der Abteilung für Film und Drama. Im Rahmen ihrer Masterarbeit betrachtete sie die gemeinsame Arbeit des Regisseurs mit den Schauspielern und die Möglichkeiten der Schaffung eines Ensembles mit kreativen und entscheidungsfreudigen Schauspielern. Hierbei konzentrierte sie sich auf einen hypothetischen Probenprozess, der geschaffen werden sollte, um gemeinsam mit den Schauspielern Handlungsstränge zu kreieren. Sie nimmt an zahlreichen Workshops in der Türkei und im Ausland teil und arbeitet seit der Gründung des Theater Pera im Jahr 2001 als Regieassistentin, Schauspielerin und Regisseurin dort. Sie interessiert sich auch für die Aufzeichnung von Schauspiel als Videoperformances. Das Stück „Sweat“ von Lynn Nottage, bei welchem sie die Übersetzung sowie die Regie übernahm, wurde durch den Verein „Ekin Yazın Dostları” zum Stück des Jahres gewählt. Im Rahmen der Mehmet Baydur Retrospektive nahm sie gemeinsam mit Tilbe Saran als Regiesseurin teil. Anfang 2023 bewarb sie sich mit dem Stück „Les Pas Pardus / Kayıp Adımlar“ beim Open Call des Alan Kadıköy Theaters und wurde aus 82 Bewerbungen ausgewählt und brachte das Sück im November 2023 auf die Bühne.

Elif Sözer (geb. 1987 in Istanbul, Türkei) wuchs in Wien auf und absolviert nach ihrem Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien eine Physical Theater Ausbildung nach Jacques Lecoq an der London International School of Performing Arts (LISPA). Daraufhin zog sie nach Istanbul, wo sie ihren Master in Dramaturgie und Theaterkritik absolvierte. Sie war an der Gründung der ersten Physical Theatre and Comedy School in Istanbul beteiligt, lehrte am Staatskonservatorium der Istanbul Universität und war in verschiedenen Produktionen als Schauspielerin tätig. Zudem adaptierte sie den Roman „Gizli Emir“ von Melih Cevdet Anday für die Bühne, bei dem sie auch Regie führte. Seit 2019 lebt sie in Berlin und war bis 2021 zwei Spielzeiten Teil der Schauspieldirektion an der Volksbühne sowie als Dramaturgieassistentin und Dramaturgin tätig. Zu ihren dramaturgischen Arbeiten zählen die Produktion „Hammer & Spiegel“ (Regie: Florian Hain), das Hörspiel „About Persephone“ (Regie: Charlotte S. Garraway) und das Stück „METAMORPHOSEN [overcoming mankind]“ in der Regie von Claudia Bauer. Zur Zeit ist sie freischaffende Dramaturgin, Schauspielerin und Movement Director, sowie Outside Eye und konzeptuelle Beraterin für zeitgenössische Zirkusproduktionen. Sie ist weiterhin als Physical Theatre Trainerin tätig und arbeitet in Berlin und Istanbul. Zuletzt arbeitete sie am Stück „Les Pas Pardus / Kayıp Adımlar“ (Regie: Zeynep Özden) im Alan Kadıköy als Dramaturgin und Movement Director.